Treptow-Köpenick, Tuschkastensiedlung
Berlingeschichte . Treptow-KöpenickDie Fassaden sind bunt und schrill. Die Gartenstadt Falkenberg im Ortsteil Altglienicke von Treptow-Köpenick, entworfen von Bruno Taut, hat sich mit ihrer fröhlichen Farbigkeit den Beinamen „Tuschkastensiedlung“ erworben. Als älteste von sechs Wohnsiedlungen der Berliner Moderne wurde sie im Juli 2008 in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen.
Taut stand 1912 für seine Pläne ein 75 Hektar großes Grundstück in Hanglage am Falkenberg zur Verfügung. Auftraggeber war die von Gewerkschaftlern, Sozialdemokraten und Angehörigen der Lebensreform-Bewegung gegründete Gemeinnützige Baugenossenschaft Gartenvorstadt Groß-Berlin e.G.m.b.H, die sich 1919 mit dem Berliner Spar- und Bauverein zusammenschloss, aus dem die heutige Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG wurde. Geplant wurden 1500 Wohnungen für rund 7000 Mieterinnen und Mieter. Realisiert wurden im ersten Bauabschnitt um den Akazienhof zunächst nur 34 Wohnungen. Im zweiten Abschnitt am Gartenstadtweg kamen 93 dazu. Der 1. Weltkrieg unterbrach den Bau der Siedlung, das Geld ging aus.
Die Siedlung am Falkenberg war eines der ersten größeren Projekte des 1880 geborenen Architekten. Beeinflusst wurde sein Entwurf von der in England entstandenen Gartenstadtbewegung, die für Arbeiterfamilien lichte und sonnige Wohnungen in grüner Umgebung schaffen und eine Verbindung zwischen Stadt und Land herstellen wollte. Zudem sollte das genossenschaftliche Wohnen für ein neues Miteinander sorgen. Damit entstand ein absoluter Gegensatz zu den engen und dunklen Mietskasernen für Arbeiterfamilien, die in Wedding, Kreuzberg oder Neukölln vorherrschten und die eine Gefahr für die Gesundheit bildeten, wie etwa eine Dokumentation der Wohnsituation durch die AOK zeigte.
Mit der Farbigkeit der Gartenstadt Falkenberg konnte Bruno Taut die Siedlung individuell gestalten, aber auf sonst üblichen teuren Ornamentschmuck an den Fassaden verzichten. Zugleich setzte er sich von der herrschenden Architektenmeinung ab, nach der nur die Baumaterialien die Farbe bestimmen sollten. So ließen sich Kosten sparen bei gleichzeitigem Gewinn an Wohnqualität, etwa durch die bis zu 600 Quadratmeter großen Mietergärten, für die der Gartenarchitekt Ludwig Lesser eine einheitliche Bepflanzung mit Spalierobst, Kletterpflanzen, Baumreihen und Hecken vorsah. Die Freiflächen der Gartenstadt Falkenberg mit Vorgärten, Platzanlage Akazienhof und Struktur der Mietergärten stehen als Gartendenkmal unter Schutz. Taut brach auch mit der Symmetrie und schuf an der Hanglage ein abwechslungsreiches Ensemble.
In der DDR-Zeit wurde die Siedlung 1963 unter Denkmalschutz gestellt und in den achtziger Jahren teilmodernisiert. Die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG erhielt die „Tuschkastensiedlung“ nach der Wende 1991 zurück. Zwischen 1992 und 2002 wurde die Gartenstadt Falkenberg vom Architekturbüro Winfried Brenne denkmalgerecht saniert, Keller und oberste Geschossdecken wurden mit Wärmedämmung versehen. „Neben der Instandsetzung oder Nachbildung von Fenstern, Dächern, Gauben, Fensterläden, Türen, Schornsteinköpfen, Spalieren, Pergolen, Hauslauben und Gartenzäunen, galt die besondere Aufmerksamkeit der Rückgewinnung der ursprünglichen Farbanstriche“, so das Architektenbüro.
In mehreren Etappen entstand ab 2001 die Neue Gartenstadt Falkenberg, die eine Neuinterpretation der Gartenstadtidee unter heutigen Bedingungen unternahm. So wurde insbesondere auf klimagerechtes und ökologisches Bauen geachtet. Unterschiedliche Typen von drei- bis viergeschossigen Wohnbauten werden ergänzt durch Reihenhäuser mit Mietergärten. „Formales Credo“, so die Baugenossenschaft in einem Rückblick, „war dabei, nicht den Stil Bruno Tauts unreflektiert zu imitieren, sondern eine sachlichere Architektursprache der ,klassischen‘ Moderne aufzugreifen.“
Taut schuf über die Gartenstadt Falkenberg hinaus prägnante Beispiele für ein „Neues Bauen“, eine rationelle und günstige Bauweise mit modernen Baumaterialien, die auch die soziale Verantwortung des Bauens betonte. Zwischen 1924 und 1931 entwarf Bruno Taut zusammen mit seinen Partnern, dem Architekten Franz Hoffmann und seinem Bruder Max Taut, etliche Wohnsiedlungen, die Berlin nachhaltig prägten, darunter die Siedlung Schillerpark im Wedding, die Hufeisensiedlung in Britz, die „Wohnstadt Carl Legien“ in Pankow und die Waldsiedlung „Onkel Toms Hütte“ in Zehlendorf.
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