Schöneberg, Lindenhof
Berlingeschichte . SchönebergDie Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs haben die Siedlung verändert. Dennoch lässt sich an vielen Stellen noch der ursprüngliche Charakter des vom Architekten Martin Wagner geplanten Lindenhofs erkennen. Und trotz aller architektonischen Veränderungen in der Nachkriegszeit stellt sich beim Gang durch eines der Tore an der Reglin- oder der Röblingstraße in den Lindenhof auch immer noch ein Gefühl von Abgeschiedenheit ein.
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Der Architekt Martin Wagner (5.11.1885 – 28.5.1957), 1918 zum Stadtbaurat der zunächst noch eigenständigen Stadt Schöneberg berufen, hatte 1915 seine Dissertation zum Thema „Das sanitäre Grün der Städte, ein Beitrag zur Freiflächentheorie“ vorgelegt. Im äußersten Süden Schönebergs nutzte der Sozialdemokrat Wagner nun die Möglichkeit, neue Ideen des gesunden Wohnens in die Wirklichkeit umzusetzen, inspiriert von der Gartenstadtbewegung, die aus England nach Deutschland gekommen war und Alternativen zu den engen und dunklen Mietskasernen entwickelte, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden waren.
Im Dezember 1918 wurde mit dem Bau begonnen, es entstanden bis 1921 75 Ein- und 127 Vier-Familienhäuser, Hausgärten für die Selbstversorgung mit Gemüse und Salat inclusive. Ein eiszeitlicher Weiher wurde in die Pläne einbezogen und bietet bis heute Erholungsmöglichkeiten im Lindenhof. Die Grünanlagen gestaltete Landschaftsarchitekt Leberecht Migge. Der Architekt Bruno Taut entwarf die Pläne für ein Ledigenwohnheim an der Eythstraße Ecke Domnauer Straße. Der repräsentative Bau mit zwei spitzen Türmen beidseits eines Tors zur Suttnerstraße bot Wohnraum für 120 Alleinstehende, die ansonsten in dieser Zeit nur als „Schlafburschen“ bei Arbeiterfamilien untergekommen wären. Taut plante in seinem Bau, der im Krieg völlig zerstört wurde, zudem ein Restaurant, Läden und einen Festsaal ein. „Der Bau dieser Siedlung mit gutem Wohnraum zu günstigen Konditionen, zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen und die Möglichkeit der Selbstversorgung in Hausgärten, war seiner Zeit eine Pionierleistung“, so würdigte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) 2021 das hundertjährige Bestehen der Siedlung.
Das Lindenhof-Gelände lag zwar am südlichen Rand des Bezirks, war aber durch die Bahnverbindung zum Potsdamer Platz gut angebunden. Auftraggeber der Siedlung war die Stadt Schöneberg, die 1920 als Bezirk in Groß-Berlin aufging. 1921 wurde der Lindenhof in eine neugegründete Genossenschaft überführt. Heinrich Lassen, Wagners Nachfolger als Schöneberger Stadtbaurat, setzte mit den Abschnitten Lindenhof II und III Ende der zwanziger Jahre die Bebauung nördlich der Siedlung an der Bessemerstraße fort.
Im Krieg wurde weit mehr als die Hälfte des Lindenhofs zerstört. Verloren ging neben dem Taut-Bau auch ein großer Teil der Randbebauung. Sie wurde nicht wieder ersetzt, stattdessen wurden neue Wohnungen durch die in den fünfziger Jahren moderne Zeilenbebauung geschaffen. Die einst 470 Mietergärten wurden teilweise bebaut, teilweise zu gemeinschaftlichen Grünanlagen umgewidmet, nur 103 blieben erhalten. In den sechziger und siebziger Jahren ergänzten weitere mehrgeschossige Wohnhäuser und Hochhäuser die Siedlung.
Die Siedlung gehört zur Genossenschaft GeWoSüd, rund 1500 Mitglieder wohnen mit ihren Familien in der größten Anlage der Genossenschaft. Ein Spielplatz für Kleinkinder und einer für Jugendliche gehören zur Anlage, es gibt noch immer ein gemeinschaftliches Waschhaus. Und mitten in der Siedlung befindet sich auch eine Grundschule.
Der Lindenhof umfasst heute 1262 Wohnungen in 232 Häusern, darunter sind noch 69 Einfamilienhäuser. Neben langjährigen denkmalgerechten Sanierungsarbeiten, begonnen 2007, wurden zwischen 2012 und 2016 durch den Ausbau der Dachgeschosse in den alten Mehrfamilienhäusern 29 neue Wohnungen geschaffen. Das Angebot reicht heute von der Ein-Zimmer-Wohnung mit 28 Quadratmetern bis zur Sechs-Zimmer-Wohnung mit 180 Quadratmetern.
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