125 Jahre Freie Volksbühne in Berlin
BerlingeschichteZum Fotoalbum. Am Anfang stand eine Zeitungsnotiz. Im Berliner Volksblatt vom 23. März 1890 rief der Schriftsteller Dr. Bruno Wille theaterinteressierte Arbeiterinnen und Arbeiter auf, an der Gründung eines Vereins „Freie Volks-Bühne“ mitzuwirken. Gegen einen Vierteljahresbeitrag von 1,50 Mark sollte der Besuch von drei Vorstellungen möglich sein. „Läuft eine genügende Anzahl von Adressen ein, so ist ein Unternehmen gesichert, welches zur geistigen Hebung des Volkes etwas beitragen kann“, schrieb Wille.
Die Interessenten fanden sich. In gemieteten Theaterräumen brachte der Verein Aufführungen auf die Bühne, die – da es sich um geschlossene Veranstaltungen handelte – nicht der preußischen Zensur unterlagen. Aber schon bald begann eine vereinsinterne Auseinandersetzung, die 1892 zur Spaltung führte. Während Wille auf die „geistige Hebung“ setzte, kam es seinem Gegenspieler, dem Schriftsteller und Historiker Franz Mehring mehr auf die Erhebung des Volkes und ein klassenkämpferisches Theater an. Erst 1920 fanden die beiden Vereine wieder zusammen.
Bruno Willes „Neue Freie Volksbühne“ pachtete 1910 erstmals ein Theater an der Köpenicker Straße, vier Jahre später wurde mit Mitgliedsbeiträgen das Theater am heutigen Rosa-Luxemburg-Platz fertig gestellt. Dort machte sich in den zwanziger Jahren Erwin Piscator mit seinem anspruchsvoll politischen Theater einen Namen.
Der Verein durchlebte eine wechselvolle Geschichte, erläutert Prof. Dr. Dietger Pforte, früherer Vorstandsvorsitzender der Freien Volksbühne. 1933 wurde die Volksbühne dem Goebbelschen Reichsverband Deutsche Bühne unterstellt, 1939 wurde der Verein von den Nazis aufgelöst, das Vermögen fiel an den Staat. Die Neugründung 1947 war schon von der Teilung der Stadt geprägt, in Ost-Berlin wird der Verein 1953 aufgelöst. Wieder wird aus Mitgliedsbeiträgen ein Theater gebaut, diesmal an der Schaperstraße in West-Berlin, nach dem Wegfall der öffentlichen Förderung 1992 muss der Verein das Haus, das in den sechziger Jahren erneut von Erwin Piscator erfolgreich geleitet wurde, Ende der neunziger Jahre verkaufen. Heute ist es das Berliner Festspielhaus.
In der Nachkriegszeit setzte die Freie Volksbühne mit ihren aufklärerischen Inszenierungen Zeichen. Auch die Aufarbeitung der NS-Zeit war ein wichtiges Anliegen. 1961 hatte der Verein 100.000 Mitglieder, eine heute kaum vorstellbare Zahl, wie Frank-Rüdiger Berger, stellvertretender Vorsitzender der Freien Volksbühne und Organisator einer Ausstellung zur Geschichte des Vereins, einräumt. Aber lebendig ist der Verein geblieben. Mehr als 10.000 Veranstaltungen bietet er im Jahr seinen Mitgliedern an. Verbilligt geht es in Opernhäuser, Theater, aber auch zur freien Szene. Dietger Pforte: „Die Freie Volksbühne Berlin ebnet Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern den Zugang zu künstlerischen Veranstaltungen. Sie wählt aus. Sie informiert. Sie berät.“
Zum Fotoalbum „Freie Volksbühne“
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